Die Generation der Vaterlosen













Kindheit im 3. Reich

Unser letzter Rückzugsort vor den Kriegseinwirkungen, war Schliersee in Oberbayern. Das genaue Jahr weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur an die immer wieder eisigen Winter und den Schnee. Vorher waren wir, meine Mutter und ich, in Minheim an der Mosel und in Ensisheim im Elsass evakuiert gewesen.
Minheim an der Mosel

Meine Mutter musste während des Aufenthaltes in Schliersee arbeiten gehen und ich kam in den Kindergarten. Es war ein Tageskindergarten mit Verpflegung und Mittagsschlaf. Für mich ist er in denkbar schlechtester Erinnerung geblieben. Mittags wurde zwei Stunden geschlafen. Man durfte sich nicht rühren oder zur Toilette gehen. Täglich passierte es, dass jemand während der Schlafenszeit in die Hosen machte. Die Betroffenen mussten sich nackt ausziehen und eine Reihe bilden. Alle übrigen Kinder mussten an ihnen vorbei gehen und sie mit „ieh, fit, fit, fit“ auslachen. Irgend wann stand ich dann auch einmal in der Reihe. Mich hat weniger die Tatsache getroffen, dass ich ausgelacht wurde, als das dumme Auslachen der Betroffenen.

Eines morgens im Mai 1945 wurde meine Mutter sehr aktiv. Es ging das Gerücht, dass die Nazis aus der SA Gruppenschule wegen des Einrückens der Amerikaner getürmt seien und es was zu plündern gäbe. Außerdem gab es plötzlich viele frei laufende Pferde und herum liegende Waffen. Nach kurzer Zeit war das ganze Dorf beritten, wir spielten mit Bajonetten und Strohpuppen. Meine Mutter holte mit vielen anderen, die keine Skrupel hatten, alles, was noch zu gebrauchen war, aus der Gruppenschule. Der Anblick der Räume war nicht erfreulich. Einige Leichen von SS-Männern, verwüstet Zimmer und überall Scheißhaufen. Ob sie von den Nazi-Leuten oder den Plünderern stammten, konnte man nicht feststellen. Am nächsten Tag war der Spuk zu Ende und es gab Pferdefleisch beim Metzger.

Die letzten Tage vor der Kapitulation

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