D ie Generation der Vaterlosen















Kindheit in der Besatzungszeit

Die Wohnung in der Hospitalstraße in Dorstfeld war ein Graus. Sie lag im 3. Stock eines Mietshauses mit 9 Wohnungen in unmittelbarer Nähe von Orenstein & Koppel. Im 2. und 3. Stock gab es für 5 Wohnungen einen sog. Spülstein auf halber Treppe zwischen dem 2. und 3. Stock. Die Toilette, ein Plumpsklo, war außerhalb des Hauses. Man musste hinten zum Hof raus und an der Werkstatt von Schneidermeister Ferdinand Klüh, dem Eigentümer des Hauses, vorbei. Irgendwann hatten wir ihm einmal einen Hahn aus der Aufzucht meiner Oma geschenkt. Es war ein prachtvolles Tier, das allerdings nichts anderes im Sinn hatte, als im Garten auf Klobenutzer zu warten und sie zu attackieren. Eines Tages landete er im Suppentopf, weil es allen Beteiligten zu nervig mit ihm wurde.

Ferdinand Klüh hatte eine Putzfrau, die wahrscheinlich nicht nur für ihn putzte, was ihm zum Verhängnis werden sollte. Der Ehemann erschien eines Tages beim Schneidermeister, zog ein Küchenmesser und stach ihn und seine Frau und anschließend sich nieder. Ferdinand Klüh versuchte noch, sich zu seinem Sohn, der auch in dem Haus wohnte zu schleppen, verblutete aber im Hausflur. Die beiden anderen Beteiligten überlebten und der Mörder kam mit einer geringen Strafe davon. Ihm wurden mildernde Umstände zuerkannt und er kam relativ schnell wieder frei. Seine Frau nahm ihn gnädig wieder bei sich auf.

In der Wohnung gab es eine Steckdose und in jedem der drei Räume eine Brennstelle mit einem Schalter. In der ersten Zeit nach dem Krieg durften nur max. 20 kWh Strom verbraucht werden. Geheizt wurde mit einem Kohleherd, auf dem auch gekocht und in dem gebacken wurde. Bis zu meinem 13. Lebensjahr schlief ich mit meinen Eltern im ehelichen Doppelbett. Im Sommer war es zeitweilig bullenheiß und im Winter nachts so kalt, dass die Oberbetten und Kissen gefroren, weil das Dach nicht isoliert war. Bei Schneefall flog der Schnee unter die Dachpfannen und durchfeuchtete die Zimmerdecke. In der Küche stand ein Pisseimer, der im Winter der Einfachheit halber aus dem Fenster entleert wurde.

Mein Vater arbeitete auf der Zeche als Schweißer. Das hatte in der Zeit viele Vorteile: Carepakete, Deputatkohle, Butterbrote und Getränke auf der Arbeit, Schnaps und Milch. Manchmal machte er drei Schichten hintereinander. Kohle und Schnaps waren gute Tauschmittel.
Das Schweißen hatte er bei Orenstein und Koppel erlernt. Weiterhin hatte er bei der Firma Johannes Dörnen in Derne gearbeitet und während des Krieges bei Phönix in Hörde. Dort schweißte er "Königstiger". Wegen der kriegswichtigen Arbeit war er oft auf Arbeitsurlaub. Erst zum Ende des Krieges war er längere Zeit fort. Nach dem Krieg war bei allen Feierlichkeiten das Thema Kriegserlebnisse immer Thema Nr. 1.


Alltag in der Besatzungszeit


Die Wohnung in der Hospitalstraße in Dorstfeld war ein Graus. Sie lag im 3. Stock eines Mietshauses mit 9 Wohnungen in unmittelbarer Nähe von Orenstein & Koppel. Im 2. und 3. Stock gab es für 5 Wohnungen einen sog. Spülstein auf halber Treppe zwischen dem 2. und 3. Stock. Die Toilette, ein Plumpsklo, war außerhalb des Hauses. Man musste hinten zum Hof raus und an der Werkstatt von Schneidermeister Ferdinand Klüh, dem Eigentümer des Hauses, vorbei. Irgendwann hatten wir ihm einmal einen Hahn aus der Aufzucht meiner Oma geschenkt. Es war ein prachtvolles Tier, das allerdings nichts anderes im Sinn hatte, als im Garten auf Klobenutzer zu warten und sie zu attackieren. Eines Tages landete er im Suppentopf, weil es allen Beteiligten zu nervig mit ihm wurde. Ferdinand Klüh hatte eine Putzfrau, die wahrscheinlich nicht nur für ihn putzte, was ihm zum Verhängnis werden sollte. Der Ehemann erschien eines Tages beim Schneidermeister, zog ein Küchenmesser und stach ihn und seine Frau und anschließend sich nieder. Ferdinand Klüh versuchte noch, sich zu seinem Sohn, der auch in dem Haus wohnte zu schleppen, verblutete aber im Hausflur. Die beiden anderen Beteiligten überlebten und der Mörder kam ins Zuchthaus. Ihm wurden aber mildernde Umstände zuerkannt und er kam relativ schnell wieder frei. Seine Frau nahm ihn gnädig wieder bei sich auf.


Hospitalstraße in Dorstfeld


In der Wohnung gab es eine Steckdose und in jedem der drei Räume eine Brennstelle mit einem Schalter. In der ersten Zeit nach dem Krieg durften nur max. 20 kWh Strom verbraucht werden. Geheizt wurde mit einem Kohleherd, auf dem auch gekocht und in dem gebacken wurde. Bis zu meinem 13. Lebensjahr schlief ich mit meinen Eltern im ehelichen Doppelbett. Im Sommer war es zeitweilig bullenheiß und im Winter nachts so kalt, dass die Oberbetten und Kissen gefroren, weil das Dach nicht isoliert war. Bei Schneefall flog der Schnee unter die Dachpfannen und durchfeuchtete die Zimmerdecke. In der Küche stand ein Pisseimer, der im Winter der Einfachheit halber aus dem Fenster entleert wurde.

Mein Vater arbeitete auf der Zeche als Schweißer. Das hatte in der Zeit viele Vorteile: Carepakete, Deputatkohle, Butterbrote und Getränke auf der Arbeit, Schnaps und Milch. Manchmal machte er drei Schichten hintereinander. Kohle und Schnaps waren gute Tauschmittel.

Das Schweißen hatte er bei Orenstein und Koppel erlernt. Weiterhin hatte er bei der Firma Johannes Dörnen in Derne gearbeitet und während des Krieges bei Phönix in Hörde. Dort schweißte er Königstiger. Wegen der kriegswichtigen Arbeit war er oft auf Arbeitsurlaub. Erst zum Ende des Krieges war er längere Zeit fort. Nach dem Krieg war bei allen Feierlichkeiten das Thema Kriegserlebnisse immer Thema Nr. 1.



Versorgung in der Nachkriegszeit


Während des Krieges lief die deutsche Wirtschaft im Kriegsmodus mit vielen Arbeiterinnen und Arbeitern, die als Kriegsgefangene zur Arbeit eingesetzt wurden. Nach dem Krieg übernehmen die Allierten die Kontrolle über das gesamte wirtschaftliche Geschehen. Nahezu 60% der wirtschaftlichen Leistungen wurden als Reparationsleistungen an berechtigte Staaten abgeführt. Außerdem wurde fast die Hälfte der Produktionsanlagen demontiert und als Reparationsleistungen ausgeführt. Viele deutsche Kriegsgefangene wurden in Siegerstaaten festgehalten und mussten dort Reparationsleistungen erbringen.

Die gesamte Volkswirtschaft war auf reine Versorgung, mit einem von den Allierten vorgegebenen Versorgungsgrad eingestellt.


In der täglichen Praxis sah das so aus, dass es nichts ohne Bezugsscheine oder Lebensmittelkarten zu kaufen gab. Durch vertrauenswürdige Bürgerinnen und Bürger, zu denen auch meine Eltern gehörten, wurden sie in den Haushalten verteilt. In Dortmund-Dorstfeld gab es 2 Lebensmittelgeschäfte, einen Milchmann und einen Metzger in erreichbarer Nähe. Die meisten Lebensmittel waren nicht verpackt, sondern wurden bedarfsgerecht, nach Lebensmittelkarte, abgewogen und in Papiertüten gefüllt. Die Warteschlange vor den Geschäften war das Kennzeichen dieser Zeit. Als Transportmittel für die Waren dienten Handkarren, Pferdefuhrwerke und alte Kraftwagen mit Holzvergaserantrieb.

Die Sicherheit in der Stadt wurde durch die Allierten aufrecht erhalten. Es gab auch deutsche Polizisten, die aber unbewaffnet waren. Zum Selbstschutz trugen sie allerdings einen Schlagstock, genannt Gummiknüppel.



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